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Donnerstag, 20. März 2008
Die Arbeit ruft...
vessip, 00:55h
Damit ihr nicht denkt, dass ich in Mexico nur Urlaub mache, hier mal ein Schwank aus meinem Feldarbeitsalltag. Seit Mitte Februar blüht nämlich „mein“ Mais schon. Und Blütezeit heißt Arbeitszeit, denn während der Blüte werden die Kreuzungen durchgeführt, um neues Material zu entwickeln. Die letzten 4 Wochen war ich deshalb fast durchgängig auf der Versuchsstation in Agua Fria, etwa 4 Stunden von unserem Hauptquartier entfernt. Und: auf nur 40 m über Meeresspiegel gelegen, entsprechend sehr heiß und feucht, tropisch eben. Ich wohnte dort in einem Gästehaus, sehr nett. Und ich hab den ganzen Tag Spanisch gesprochen, denn die Feldarbeiter sprechen kein Englisch... gute Übung.
Mitte Dezember hatten wir angefangen, den Mais auszusäen. Wir mussten in mehreren Etappen aussäen, weil zu Anfang noch nicht das ganze Saatgut hier bei uns war. Wir haben nämlich aus Kenia, Zimbabwe, Nigeria und Kolumbien Saatgut bekommen, um es in meiner Doktorarbeit zu nutzen.
So sieht ein Maispflänzchen nach etwa 2 Wochen aus:

Und so nach etwa 4 Wochen:

Danach gibt es einen riesigen Wachstumsschub und nach weiteren etwa 4 Wochen hören die Pflanzen mit dem Höhenwachstum auf und beginnen, die Energie in die Entwicklung der Blüten zu stecken. Beim Mais sind männliche und weibliche Blüte räumlich voneinander getrennt. Die weibliche Blüte ist der Kolben (bzw. das was nach der Befruchtung zum Kolben mit den Maiskörner wird) und die männliche Blüte ist die Fahne oder Rispe, quasi der Kopf der Maispflanze:

In der Fahne befinden sich die sogenannten Antheren (oder Staubbeutel), in denen der Pollen produziert wird. In einer Fahne werden ungefähr 50 000 Pollenkörner produziert während der Blüte. Die Antheren öffnen sich nur morgens (ungefähr zwischen 9 und 11 Uhr), so dass viele Pollenkörner raus fallen. Da Pollen sehr leicht ist, kann er viele hundert Meter weit mit dem Wind transportiert werden. Hier sieht man schön die Antheren raushängen:

Das weibliche „Geschlechtsteil“ sind die Narbenfäden, also das was wie ein Haarschopf auf den zukünftigen Maiskolben aussieht. Wenn Pollen auf die Narbenfäden einer weiblichen Blüte gelangt, wird innerhalb weniger Minuten mit der Befruchtung begonnen. Die Narbenfäden sind nämlich eine Verlängerung oder ein Transportmedium zu den Eianlagen, und jede Eianlage muss von Pollen befruchtet werden, damit sich daraus ein Korn am Kolben bilden kann.
Um gezielte Kreuzungen vornehmen zu können und zu verhindern, dass die weiblichen Blüten einfach von irgendwelchem Pollen bestäubt werden (wie gesagt, Pollen kann ziemlich weit „fliegen“), haben wir jede weibliche Blüte mit einer Butterbrottüte isoliert bevor die Narbenfäden zum Vorschein kamen. Das sieht dann etwa so aus:

Die meisten Pflanzen haben mehrere weibliche Blüten (also theoretisch das Potential, mehrere Kolben auszubilden). Die Erfahrung sagt aber, dass meistens nur die oberste Blüte auch tatsächlich zum Kolben wird, denn die Pflanze steckt den Großteil ihrer Energie in diese oberste Blüte. Deshalb isolieren wir auch immer nur die obersten Blüten, während die anderen ruhig mit irgendwelchem umher fliegendem Pollen bestäubt werden können, denn die ernten wir sowieso nicht.
Für gezielte Kreuzungen muss natürlich auch der entsprechende Pollen gesammelt werden. Deshalb tüten wir jeden morgen die Fahnen ein, mit deren Pollen wir am Tag Bestäubungen durchführen wollen:

Ab etwa 11 Uhr entfernen wir dann die Tüten behutsam von den Fahnen (natürlich ohne den darin gesammelten Pollen zu verschütten) und schütten den Pollen auf die Narbenfäden einer weiblichen Blüte: Bestäubung durchgeführt, Mission erfüllt. Tüte drauf (zum Schutz, bleibt bis zur Ernte drauf), und fertig:

Die Zahl auf der Tüte gibt das Bestäubungsdatum an, damit wir besser abschätzen können, wann dieser Kolben ungefähr geerntet werden kann. Der Kreis mit dem Kreuz drin bedeutet, dass wir diese Pflanze geselbstet haben, also die weibliche Blüte einer Pflanze mit dem Pollen der männlichen Blüte der selben Pflanze bestäubt haben. Das ist bei Pflanzen sehr praktisch, denn es ermöglicht die Erhaltung eines bestimmten Genotyps (Kombination von Genen). Und wenn man eben gerade neue Genkombinationen schaffen will, z.B. um Pflanzen zu züchten, die besser hitzetolerant sind, dann macht man eben Kreuzungen, also den Pollen eines Genotyps auf die Narbenfäden eines anderen Genotyps schütten.
Tja, eigentlich ganz einfach, oder? Ist es auch. Allerdings habe ich diese Saison 3 Felder mit ungefähr 1300 Reihen Mais pro Feld und in jeder Reihe stehen 15 Maispflanzen... da kommt ganz schön was zusammen. Zum Glück sind wir eine gute Gruppe mit zwei sehr erfahrenen Leuten, die schon seit 20 Jahren für’s CIMMYT arbeiten. Die restlichen vier sind Zeitarbeitskräfte, die immer nur für 27 Wochen bleiben dürfen (mexikanisches Gesetz!), dann 5 Monate Urlaub machen müssen, bevor sie wieder für 27 Wochen eingestellt werden dürfen...
Und ich habe auch Unterstützung aus Deutschland! Ende Februar war einer meiner Betreuer von der Uni Hohenheim hier zur Stippvisite, ein erfahrener Maiszüchter, der die Maiszüchtungsstation unserer Uni leitet. Wir sind alle 3 Felder abgegangen. Ich hab mich hier und da vergewissert, dass wir das Richtige tun und mir Tipps geben lassen, wie ich bestimmtes Material bei der Ernte selektieren soll (sprich: nach welchen Kriterien). War sehr lehrreich.

Jep, das ist meine Feldkluft: Jeans (bei der tropischen Hitze fast unerträglich, aber das tragen alle hier!), langärmeliges Hemd und Hut als Sonnenschutz, Sonnenbrille als Augenschutz (Maisblätter kratzen und pieksen), Schürze mit allen Utensilien (je nach Tageszeitpunkt stecken da mal Isoliertüten drin, mal Pollenauffangtüten), und natürlich das wichtigste: mein Feldbuch! Da stehen die Listen aller Feldversuche drin, einzeln nach Reihen, so dass ich mir für jede Reihe bestimmte Merkmale oder Besonderheiten aufschreiben kann und auch immer gleich weiß, vor welchem Material ich hier eigentlich stehe, bzw. wo welches Material zu finden ist.
Aber nicht nur arbeiten tun wir, sondern auch feiern! Gleich am ersten Wochenende, das ich in Agua Fria (kurz AF) verbrachte, wurde die ganze Gruppe zum „Cabeza de Res“-Essen eingeladen. Rinderkopf. Im großen Kochtopf über Feuer zubereitet. Einfach den gesamten Kopf inklusive Kiefer etc rein und ein paar Stunden köcheln lassen.

Eine Delikatesse. Das Hirn wird in Alufolie eingepackt und mit gegaart. Zuerst kommen Zunge und Wangenfleisch klein geschnibbelt auf den Tisch. Das rollt man dann in eine Tortilla ein, ein bisschen Soße und Zwiebel dazu... hmmm. Gehirn hab ich übrigens nicht gegessen. Ein paar Coronas dazu, fertig ist ein netter Abend.

Mitte Dezember hatten wir angefangen, den Mais auszusäen. Wir mussten in mehreren Etappen aussäen, weil zu Anfang noch nicht das ganze Saatgut hier bei uns war. Wir haben nämlich aus Kenia, Zimbabwe, Nigeria und Kolumbien Saatgut bekommen, um es in meiner Doktorarbeit zu nutzen.
So sieht ein Maispflänzchen nach etwa 2 Wochen aus:

Und so nach etwa 4 Wochen:

Danach gibt es einen riesigen Wachstumsschub und nach weiteren etwa 4 Wochen hören die Pflanzen mit dem Höhenwachstum auf und beginnen, die Energie in die Entwicklung der Blüten zu stecken. Beim Mais sind männliche und weibliche Blüte räumlich voneinander getrennt. Die weibliche Blüte ist der Kolben (bzw. das was nach der Befruchtung zum Kolben mit den Maiskörner wird) und die männliche Blüte ist die Fahne oder Rispe, quasi der Kopf der Maispflanze:

In der Fahne befinden sich die sogenannten Antheren (oder Staubbeutel), in denen der Pollen produziert wird. In einer Fahne werden ungefähr 50 000 Pollenkörner produziert während der Blüte. Die Antheren öffnen sich nur morgens (ungefähr zwischen 9 und 11 Uhr), so dass viele Pollenkörner raus fallen. Da Pollen sehr leicht ist, kann er viele hundert Meter weit mit dem Wind transportiert werden. Hier sieht man schön die Antheren raushängen:

Das weibliche „Geschlechtsteil“ sind die Narbenfäden, also das was wie ein Haarschopf auf den zukünftigen Maiskolben aussieht. Wenn Pollen auf die Narbenfäden einer weiblichen Blüte gelangt, wird innerhalb weniger Minuten mit der Befruchtung begonnen. Die Narbenfäden sind nämlich eine Verlängerung oder ein Transportmedium zu den Eianlagen, und jede Eianlage muss von Pollen befruchtet werden, damit sich daraus ein Korn am Kolben bilden kann.
Um gezielte Kreuzungen vornehmen zu können und zu verhindern, dass die weiblichen Blüten einfach von irgendwelchem Pollen bestäubt werden (wie gesagt, Pollen kann ziemlich weit „fliegen“), haben wir jede weibliche Blüte mit einer Butterbrottüte isoliert bevor die Narbenfäden zum Vorschein kamen. Das sieht dann etwa so aus:

Die meisten Pflanzen haben mehrere weibliche Blüten (also theoretisch das Potential, mehrere Kolben auszubilden). Die Erfahrung sagt aber, dass meistens nur die oberste Blüte auch tatsächlich zum Kolben wird, denn die Pflanze steckt den Großteil ihrer Energie in diese oberste Blüte. Deshalb isolieren wir auch immer nur die obersten Blüten, während die anderen ruhig mit irgendwelchem umher fliegendem Pollen bestäubt werden können, denn die ernten wir sowieso nicht.
Für gezielte Kreuzungen muss natürlich auch der entsprechende Pollen gesammelt werden. Deshalb tüten wir jeden morgen die Fahnen ein, mit deren Pollen wir am Tag Bestäubungen durchführen wollen:

Ab etwa 11 Uhr entfernen wir dann die Tüten behutsam von den Fahnen (natürlich ohne den darin gesammelten Pollen zu verschütten) und schütten den Pollen auf die Narbenfäden einer weiblichen Blüte: Bestäubung durchgeführt, Mission erfüllt. Tüte drauf (zum Schutz, bleibt bis zur Ernte drauf), und fertig:

Die Zahl auf der Tüte gibt das Bestäubungsdatum an, damit wir besser abschätzen können, wann dieser Kolben ungefähr geerntet werden kann. Der Kreis mit dem Kreuz drin bedeutet, dass wir diese Pflanze geselbstet haben, also die weibliche Blüte einer Pflanze mit dem Pollen der männlichen Blüte der selben Pflanze bestäubt haben. Das ist bei Pflanzen sehr praktisch, denn es ermöglicht die Erhaltung eines bestimmten Genotyps (Kombination von Genen). Und wenn man eben gerade neue Genkombinationen schaffen will, z.B. um Pflanzen zu züchten, die besser hitzetolerant sind, dann macht man eben Kreuzungen, also den Pollen eines Genotyps auf die Narbenfäden eines anderen Genotyps schütten.
Tja, eigentlich ganz einfach, oder? Ist es auch. Allerdings habe ich diese Saison 3 Felder mit ungefähr 1300 Reihen Mais pro Feld und in jeder Reihe stehen 15 Maispflanzen... da kommt ganz schön was zusammen. Zum Glück sind wir eine gute Gruppe mit zwei sehr erfahrenen Leuten, die schon seit 20 Jahren für’s CIMMYT arbeiten. Die restlichen vier sind Zeitarbeitskräfte, die immer nur für 27 Wochen bleiben dürfen (mexikanisches Gesetz!), dann 5 Monate Urlaub machen müssen, bevor sie wieder für 27 Wochen eingestellt werden dürfen...
Und ich habe auch Unterstützung aus Deutschland! Ende Februar war einer meiner Betreuer von der Uni Hohenheim hier zur Stippvisite, ein erfahrener Maiszüchter, der die Maiszüchtungsstation unserer Uni leitet. Wir sind alle 3 Felder abgegangen. Ich hab mich hier und da vergewissert, dass wir das Richtige tun und mir Tipps geben lassen, wie ich bestimmtes Material bei der Ernte selektieren soll (sprich: nach welchen Kriterien). War sehr lehrreich.

Jep, das ist meine Feldkluft: Jeans (bei der tropischen Hitze fast unerträglich, aber das tragen alle hier!), langärmeliges Hemd und Hut als Sonnenschutz, Sonnenbrille als Augenschutz (Maisblätter kratzen und pieksen), Schürze mit allen Utensilien (je nach Tageszeitpunkt stecken da mal Isoliertüten drin, mal Pollenauffangtüten), und natürlich das wichtigste: mein Feldbuch! Da stehen die Listen aller Feldversuche drin, einzeln nach Reihen, so dass ich mir für jede Reihe bestimmte Merkmale oder Besonderheiten aufschreiben kann und auch immer gleich weiß, vor welchem Material ich hier eigentlich stehe, bzw. wo welches Material zu finden ist.
Aber nicht nur arbeiten tun wir, sondern auch feiern! Gleich am ersten Wochenende, das ich in Agua Fria (kurz AF) verbrachte, wurde die ganze Gruppe zum „Cabeza de Res“-Essen eingeladen. Rinderkopf. Im großen Kochtopf über Feuer zubereitet. Einfach den gesamten Kopf inklusive Kiefer etc rein und ein paar Stunden köcheln lassen.

Eine Delikatesse. Das Hirn wird in Alufolie eingepackt und mit gegaart. Zuerst kommen Zunge und Wangenfleisch klein geschnibbelt auf den Tisch. Das rollt man dann in eine Tortilla ein, ein bisschen Soße und Zwiebel dazu... hmmm. Gehirn hab ich übrigens nicht gegessen. Ein paar Coronas dazu, fertig ist ein netter Abend.

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