Sonntag, 11. Mai 2008
Lucha Libre
Kann sich noch jemand an die World Wrestling Federation erinnern? Nun ja, Marcel und ich haben in unserer „Jugend“ viele Abende vor dem Fernseher mit „Brad The Hitman Heart“, „The British Bulldog“ oder „The Undertaker“ verbracht, Wrestlern der World Wrestling Federation. Marcel hatte sogar einige Spielzeug-Figuren von denen. Und natürlich haben wir Aufkleber gesammelt!

In Mexico gibt’s die amerikanische Wrestling-Version mit ebensoviel Showbiz und sogar längerer Tradition: Lucha Libre. Die meisten Luchadores (Wrestler) tragen hier zudem Masken, um ihre wahre Identität zu verbergen. Diese Masken sind auch beliebte Mitbringsel und fehlen in keinem Souvenirladen. Auch meine Freunde Allison, Nathan und Jenny hatten für ihre Cousins zu Weihnachten welche gekauft, die natürlich vorher noch auf Tragbarkeit geprüft werden mussten:


Gestern Abend sind wir zu sechst recht spontan zum Lucha Libre in der Arena Mexico nach Mexico City gefahren: Jenny, Luis, Gerlinde, Allison, Norbert und ich.


Um 8:30 gings los und insgesamt waren 4 Kämpfe angekündigt. Wir hatten eigentlich super Plätze, knapp hinter der Kamera, die das ganze Spektakel live ins Fernsehen bringen sollte, guter Blick auf den Ring. Hinter uns saßen jedoch ein paar Mütter mit ihren Kindern (heute ist hier Muttertag und deshalb gab’s gestern Ermäßigung für Mütter) und die gaben jedes Mal, wenn ein einigermaßen gut aussehender Luchador auftrat, ein megalautes Teenie-Geschrei von sich. Vor allem bei Alex Koslov (der mit Russki-Pelzmütze, geöltem Körper und nicht mehr als einer Badenhosen-ähnlichen Unterbekleidung in den Ring kam und laut Moderator Russisch, Englisch und Spanisch spricht...) und bei Marco Corleone (der sich zwar italienisch anhört, aber definitiv eher Holländer oder Skandinave war, natürlich ebenfalls geölt). Beide konnten auch in außergewöhnlicher Körpersprache mit dem weiblichen Publikum kommunizieren. Die Arena Mexico fasst etwa 17000 Zuschauer und ist der Schauplatz der CMLL (Conseja Mexicana de Lucha Libre = mexikanische Wrestling-Vereinigung).


Auch im Publikum tragen die echten Fans natürlich die Masken ihrer Stars:


Generell sind die Luchadores vor allem Entertainer und Akrobaten. Jeder Luchador hat sein bestimmtes Image, manche sind zeitlebens die Bösen, andere bleiben immer die Guten (z.B. Mistico, den die männlichen Fans wegen seiner akrobatischen Moves anhimmeln und die Weiblichen wegen seines Charmes und seines Kleider- und Farbgeschmacks... es gibt rosafarbene Mistico-Masken!) und manche wechseln die Identität im Laufe ihrer Karriere (dazu gehört bestimmt Alex Koslov, der als Frauenheld zu den Guten und als Russe ebenso zu den Bösen gehören kann...).

Mann trägt entweder lange Leggins oder eben Badehosen. Oft „Overknees“ zu den Badehosen, manchmal auch hautenge Shirts oder Ganzkörperanzüge. Und das in allen möglichen Farben, viel mit Gold oder Silber oder anderen Glitzerfarben. Natürlich passend zu den Masken. Viele tragen aber auch keine Masken und haben dann z.T. abgefahrene Haarkreationen (inkl. Iro).


Die Demaskierung ist übrigens die größte Demütigung, die einem Luchador widerfahren kann. Man verliert einen Kampf entweder, wenn man mehr als 3 Sekunden mit beiden Schultern auf dem Boden liegend vom Gegner „gepinnt“ wird, oder wenn einem die Maske heruntergerissen wird. Natürlich darf man danach auch ohne Maske wieder in den Ringe steigen, und viele Luchadores wählen ja auch, von vornherein keine Maske zu tragen. Von den maskierten Luchadores heißt es jedoch, dass sie mehr Ansehen genießen und oft auch im Alltag in der Öffentlichkeit mit ihren Masken gesehen werden. Viele verbergen ihre wahre Identität bis zum Tod und werden dann sogar mit ihrer Maske begraben.

Jeder Luchador wird wie beim Boxen groß angekündigt, mit Lightshow und Musik, und die Nummerngirls tragen bei jedem Kampf ein neues Outfit (natürlich jedes Mal gleich knapp bemessen). Gestern Nacht gab’s wie gesagt 4 Kämpfe. Natürlich kommen die Stars (wie Mistico) zuletzt dran, um die Spannung zu schüren beim Publikum. Deutlich zu sehen war dies auch an den Körpern der Luchadores, vom Bierbauch zum Bodybuilder-Athleten im Laufe des Abends. Angeblich sind die Kämpfe 95% Show, viele Aktionen sind mit Sicherheit abgesprochen, wahrscheinlich auch wer am Ende gewinnt. Schema F ist, dass die Guten zuerst ordentlich auf die Mütze kriegen, dann im Laufe des Kampfes das Rad wenden (natürlich mit Unterstützung des Publikums, das die Bösen ordentlich ausbuht) und schließlich zur Freude des Publikums doch noch die Guten gewinnen. Hier ist die Welt noch in Ordnung. Zwischendrin sieht man gute Akrobatik, artistische Saltos und Sprünge, an Rock’n’Roll erinnernde Hebe- und Drehfiguren, laut klatschende Ohrfeigen, und alles wahnsinnig schnell und aufregend.


Zwischendurch wird immer ein bisschen mit dem Publikum geschäkert, wie hier Mistico, der sich seine Beliebtheit bestätigen lässt:


Und recht häufig wird auch außerhalb des Rings weiter gekämpft. Wenn einer aus dem Ringe geworfen wurde, dann springt der Andere hinterher und nicht selten landen beide in den Zuschauern der ersten Reihen. Und natürlich hüpft man nicht einfach hinterher, sondern dies geschieht in einem spektakulären Sprung inklusive dreifachem Salto mortale... und das Publikum grölt. Ich hab mich köstlich amüsiert. War fast so gut wie im Fernsehen vor 20 Jahren, nur das ich damals noch nicht gecheckt hab, dass soviel Schau drin steckt, und es deshalb noch bewundernswerter fand...hihi.

Draußen vor der Arena Mexico warten nach dem Spektakel natürlich haufenweise Maskenverkäufer auf die Zuschauer, und Norbert und Gerlinde haben sich gleich mal für’s nächste Familientreffen eingekleidet:

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