Mittwoch, 20. Februar 2008
Nevado de Toluca... oder: Was bitte ist altitude sickness???
Wenn die Beine schon auf den ersten Metern schwer sind, man immer als letztes oben ankommt (naja, kann auch an der Kondition liegen...), irgendwann der Kopf hämmert, man so müde ist, dass man am liebsten direkt auf’m Gipfel einschlafen würde und man einfach nur noch runter will...
Ich weiß, wovon ich rede... Nevado de Toluca hat mich echt geschafft!

Es sollte eine schöne Wanderung werden. Ich hatte irgendwann mal erwähnt, dass ich gerne mal einen der Vulkane in der Umgebung erklimmen wollte. Ich hatte allerdings auch erwähnt, dass ich damit noch warten wollte, bis die überflüssigen Pfunde dezimiert sind, aber daraus wurde nix. Ende Januar hat Jon, ein Sozialwissenschaftler von CIMMYT, einen Trip zu Nevado de Toluca organisiert, einem Vulkan etwa 3h Autofahrt entfernt vom CIMMYT.

Sollte eine kleine Gruppe werden, 2 Autos voll. Neben Jon und Matthew (beide Briten) kamen noch Myrjam und Arjen (Holländer), Sara (Mexikanerin) und Jenny aus Canada mit.


Bikinis sollten wir einpacken, denn im Kratersee könne man schwimmen. Später hatte Jon das noch mal revidiert, denn mit über 4000 m könne es auch sehr kalt werden, besser also auch warme Sachen einpacken. Und immerhin ist es ein Berg und verdient schon allein daher Respekt. Ich ließ den Bikini zu Hause (die Pfunde...), hab aber leider verpasst noch Handschuhe und Mütze einzupacken... es war verdammt kalt!

Wir sind mit dem Auto bis zu einem Parkplatz gefahren. Wie hoch wir dort schon waren, weiß ich nicht, aber der Gipfel (den ich nie erreichen sollte...) liegt anscheinend bei 4690 m. Mit Sonnenbrillen und Wasser ausgerüstet ging es in dicken Jacken (da oben lag Frost!!!) gegen 8 Uhr morgens los. Zuerst über einen kleinen Hügel (ha!) auf den Kraterrand rauf. Wie gesagt, schon nach den ersten Schritten fühlte ich mich gerädert... Aber ich dachte, das geht sicher wieder vorbei, wenn man sich erstmal an die Höhe und die Anstrengung gewöhnt hat (der Mensch ist ja bekanntlich ein Gewohnheitstier). Am Kraterrand angekommen sah man schon den kleineren der beiden Kraterseen:


Klarer Himmel, sonnig aber nicht zu heiß. Auf diesem Teil der Strecke hatte ich sogar schon wieder die dicke Jacke ausgezogen. Dann ging es etwas bergauf, aber der Weg war noch recht gut (und vor allem als Weg erkennbar...). Ich war noch immer sehr langsam, aber die anderen meinten, es sei ja kein Rennen. Sehr freundlich. Ich hab einfach viele Fotos gemacht, dachte, dann fällt es vielleicht nicht so auf.

Nach dem ersten steilen Abschnitt (ich hatte zwischenzeitlich ernsthaft überlegt, ob ich nicht lieber zurückgehen sollte), wurde mir komisch übel. Naja, die Anstrengung eben. Oben angekommen haben wir dann auch erstmal eine Frühstückspause eingelegt.


Im Hintergrund übrigens die Dunstwolke Mexico Citys!
Man war das da oben kalt! Richtig eisiger Wind! Ehrlich gesagt hatte ich am Auto noch geschmunzelt, als die Männer ne Mütze aufsetzten... was hätte ich in dem Moment für eine warme Kopfbedeckung gegeben... und Handschuhe! Denn danach fingen die Kletterpartien an. Ein Weg war nicht mehr erkennbar. Jon hat uns zwar gut dadurch bugsiert, aber mir wurde immer übler. Auch angesichts der Tatsache, dass ich partout nicht für’s Klettern ausgerüstet war! Es war natürlich alles eisig auf der Nichtsonnenseite. Und ich wurde immer langsamer. Und müder. Hier sieht man, wie weit ich hinter den anderen bin beim Klettern (natürlich nur um das Foto machen zu können...;-)


Nachdem wir diesen Brocken erklommen hatten, war für mich klar, dass ich runter muss. Mir war kotzübel und ich konnte mich vor Müdigkeit kaum mehr fortbewegen. Hört sich albern an, oder? So kam ich mir auch vor, aber es ging echt gar nix mehr.
Das Gute am Nevado de Toluca ist, dass man an vielen Stellen in den Krater absteigen kann zu den Seen. Man muss also die Tour nicht zu Ende gehen, auf dem Kraterrand entlang taumelnd. Ich wollte natürlich den Anderen auch nicht die Tour vermiesen, aber ich fühlte mich zu müde, um auch nur einen Höhenmeter mehr zu meistern. Also haben wir mir eine Abstiegsmöglichkeit gesucht. Einfach eine Stelle, an der der Kraterrand über ein Geröllfeld zu den Seen abfällt. Unten angekommen sah das ganze dann so aus:


Eigentlich doch ganz easy, oder? Einfach auf dem Po runterrutschen. So einfach war die Sache dann aber doch nicht. Es hat mich mehr als eine Stunde gedauert, die Seen zu erreichen. Und ich dachte ursprünglich, dass das eine Sache von 10 min wird.

Erstmal hat es mich unheimlich Überwindung gekostet, überhaupt los zu gehen. Die anderen waren natürlich nicht besonders glücklich, mich allein dort zurück zu lassen. Als die sich dann auf den Weg machten (sie wollten schließlich noch einmal ganz rum um den Krater), fand ich, es sei ne super Sache, erstmal ein Päuschen einzulegen. Hab mir ein schattiges Plätzchen gesucht (die Sonne brutzelt da oben ja wie verrückt) und mich vor einen Felsvorsprung gesetzt. Hätt glatt einschlafen können, auf 4500 m.


Die Rufe der Anderen haben mich dann eines Besseren gelehrt. Es heißt ja, dass man dumme Dinge macht, wenn man höhenkrank ist (oder auch beim Tauchen, tiefenkrank?). Und auf 4500 m einschlafen ist sicher nicht eine der geschicktesten Dinge... also machte ich mich auf den Weg. Hacken ins Geröll stemmen und Schritt für Schritte ein paar Meter weiter runter rutschen. Alle 10 Schritte Pause, man war das anstrengend. Die Versuchung, doch ein wenig zu schlummern, war groß. Echt ein abgefahrenes Gefühl. Hat mir ein bisschen Angst gemacht. Aber ich bin ja ein großes Mädchen, also bin ich brav weiter abgestiegen, bis ich zu einigen kleinen Bäumchen kam. Schatten. Augen zu. Ausruhen. Übergeben. Das tat gut (oh, so genau wolltet ihr das wahrscheinlich nicht wissen, oder?). Aber es hat geholfen. Noch immer war ich nicht am Kratersee. Der Abstieg kam mir ewig vor. Das letzte Stück war auch noch schlechter begehbar, weil überall z.T. bewachsene Felsbrocken rum lagen, ich also nicht mehr durch den Schotter rutschen konnte. Am Kratersee angekommen, hab ich mich dann erstmal auf einen riesigen Felsblock gesetzt und mir die Sonne ins Gesicht scheinen lassen. Komischerweise war’s da unten am See viel kälter als beim Abstieg. Vielleicht auch, weil der Adrenalinspiegel gesunken war und ich ja quasi nix gegessen hatte. Aber auch keinen Hunger hatte.

Etwa eine halbe Stunde nach mir kam Sara am See an. Sie hatte sich auch entschlossen, die Tour nicht zu Ende zu gehen. So haben wir dann zusammen in der Kälte ausgeharrt und den Mexikanern beim Picknicken in Daunenjacken zugeguckt. Nevado de Toluca ist nämlich ein beliebtes Ausflugsziel für die Städter, denn man kann mit dem Auto bis an die Kraterseen fahren (Wandern tun auch nur die idiotischen Ausländer!). Das war allerdings unser Glück. Mir wäre es unglaublich schwer gefallen, noch die ganze Strecke (ca. 1h) bis zum Auto zurücklaufen zu müssen (in dem Moment erschien mir dies sogar ganz und gar unmöglich). Meine Rettung kam dann in Form von Arjen. Die Anderen hatten sich nämlich mittlerweile auch zum vorzeitigen Abstieg entschlossen, denn es wurde wolkig und die Polizei (eine Art Bergwacht) hatte schon alle noch auf dem Berg Befindlichen zum Abstieg aufgerufen. Dabei hat Arjen sich dann den linken Knöchel derart dumm verstaucht, dass er nur noch humpelnd voran kam. Zum Glück für mich, aber natürlich blöd für ihn. Wir sind dann Allemann (huch, wie schreibt man das denn?) vom Polizei-PickUp zum Parkplatz kutschiert worden.

Nach einem Aspirin und dem langersehnten Schläfchen im sicheren Auto ging es mir dann auch schnell besser, wahrscheinlich vor allem seit wir wieder auf „Normalhöhe“ (also < 2500 m) fuhren. Puh, aufregend. Tolles Erlebnis. Aber bis zur nächsten Vulkanerklimmung trainier ich lieber noch ein bisschen. Obwohl es ja heißt, dass Höhenkrankheit vollkommen unabhängig von der Kondition ist. Auch Leute, die häufig 8000er erklimmen, kann es an einem schlechten Tag auf einem 5000er erwischen... ob mir das Mut machen sollte? Jenny meinte, dass sie auch schon einmal an Höhenkrankheit litt. Und zwar als sie im Dorf La Puri, in dem ich zur Zeit wohne, zu dem Kreuz auf dem Hügel über’m Dorf geklettert ist, also höchsten 2500 m hoch... das macht mir Mut! Aber vielleicht bin ich auch doch einfach ein Flachlandtiroler...;-)

Übrigens: Hätte ich es zum Gipfel geschafft, dann hätte sich mir Folgendes geboten (Foto von Jenny):


Am oberen Bildrand sind wir auf den Kraterrand gekommen, dahinter liegt der Parkplatz. Am linken Bildrand irgendwo bin ich dann abgestiegen. Und der Kleinere der beiden Kraterseen soll sauber genug zum Schwimmen sein. Ich kann mir allerdings nicht vorstellen, dass er auch warm genug gewesen wäre für meinen Geschmack. Wie gesagt, die Mexikaner sind fast alle in Daunenjacken rumgelaufen! Die kleinen Punkte an den See sind lauter Ausflügler-Autos. Die meisten Autos waren PickUps, mit einer Ladung voll Familienmitgliedern hinten drauf. Auch Motorradfahren war hoch im Rennen, so über die Sandpisten brettern. Ein Spielplatz für Große eben.

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