Montag, 17. August 2009
Studenten braucht das Land!
Solche, die irgendwann mal das Land führen. Und die Firmen leiten. Und die Welt zum Besseren verändern. Jawohl!

Mitte Juli hat CIMMYT seinen Beitrag zur Aus-/Fort-/Weiterbildung der agrarischen Studentenschaft geleistet, als es eine Gruppe internationaler Studenten willkommen hieß. Es wurden sogar extra die Fahnen gehisst am Haupteingang:


IAAS ist die Abkürzung für “International Association of Students in Agriculture and Related Sciences” (mehr Info unter www.iaasworld.org). Gegründet 1957 in Tunis widmet die Organisation sich seither dem Austausch von Erfahrungen, Ideen und Wissen aller im Bereich der Life Sciences (wie es heutzutage so schön heißt) Beschäftigten. Die Organisation wird von Studenten geführt und von Regierungen, Firmen und Stiftungen finanziell unterstützt. Jedes Jahr veranstaltet IAAS seinen World Congress, der immer in verschiedenen Ländern stattfindet und vom lokalen IAAS-Komitee organisiert wird. Der diesjährige World Congress fand im Juli/August in Mexico statt. Durch einen Kollegen am CIMMYT lernte ich den lokalen Veranstalter kennen (Carlos, Kaffee-Produzent und auch Agrar-Studi) und wir kamen zu dem Schluß, dass CIMMYT unbedingt mit auf dem Programm des Kongresses stehen müsse. Wen, wenn nicht internationale Studis wollen wir denn als zukünftige Wissenschaftler erreichen??

Mit viel Hilfe von den administrativen und kommunikativen Abteilungen des CIMMYT hatten wir schnell ein tolles Programm zusammengestellt, dass den Studis CIMMYTs Arbeitsgebiete und Mission näherbringen und ihnen eine Karriere in der internationalen Agrarforschung schmackhaft machen sollte. Und so konnten wir am 21. Juli ca 70 Studis aus mehr als 25 Ländern am CIMMYT begrüßen:


Nach einer generellen Einführung teilten wir die Studis in drei Gruppen ein, um im Rotationsverfahren drei Wissenschaftler zu besuchen. DeAndre und ich führten die grüne Gruppe:


Unsere erste Station war die Genbank, in der zigtausende Akzessionen von Mais und Weizen für die Nachwelt aufgewahrt werden. Die hier aufbewahrten Saatgutproben sind global zugänglich. Private Firmen können darauf ebenso zugreifen wie öffentliche Forschungseinrichtungen oder interessierte Hobby-Gärtner und die Abgabe des Saatguts ist kostenlos. Der Chef der Weizengenbank hieß uns willkommen und führte uns in den Austellungsraum:


Anschließend zeigte uns ein Mitarbeiter der Maisgenbank die eigentlichen Aufbewahrungsräume.


Die aktive Sammlung verweilt bei Kühlschranktemperatur, während die passive Sammlung bei -18°C lagert. Aus der aktiven Sammlung werden die Körner zum weltweiten Versand genommen, daher sind sie in transparenten Platikkonstainern mit Barcodes gelagert:


In der passiven Sammlung werden die gleichen Akzessionen in Alupaketen verpackt aufbewahrt. Regelmäßig wird dieses Saatgut im Feldanbau regeneriert, damit es durch zu lange Lagerung nicht an Keimfähigkeit verliert. Anfang des Jahres hat CIMMYT ausserdem einen Teil seiner Genbanksammlung nach Spitzbergen zum „Svalbard Global Seed Vault“, dem ultimativen Sicherheitsnetz für die wichtigsten natürlichen Ressourcen weltweit, wie die Betreiber auf ihrer homepage verkünden (Info unter http://www.croptrust.org/main/arctic.php?itemid=211 ). Dieses Saatgutlager ist eine riesige Kühltruhe, gegen alle natürlichen Katastrophen sicher gewappnet, so dass wertvolles Saatgut auch nach der Apokalypse zum Sprießen neuen Lebens zur Verfügung steht.

Für den nächsten Stop haben wir die Gruppe dann auf den Acker geführt, zu den Langzeitversuchen des „Conservation Agriculture“. Conservation Agriculture ist ein Anbausystem, dass auf drei einfachen Prinzipien beruht:

1) minimierende Bodenbearbeitung (z.B. kein Pflügen),

2) die Bodenoberfläche ist bedeckt durch z.B. Ernterückstände oder andere Pflanzen (cover crops), und

3) Fruchtfolge um Krankheits- und Schädlingsbefall zu mindern (z.B. nicht Maismonokultur auf dem selben Schlag sondern andere Fruchtarten jede Saison).


Seit vielen Jahren wird am CIMMYT mit diesem System gearbeitet und es ist mittlerweile in vielen Regionen der Welt ein Standardsystem. Ein großer Vorteil dieses Systems ist, dass Bodenfeuchte sich besser hält (durch weniger Bodenbewegung und damit weniger Aggregatzerstörung, sowie durch vorhandene Bodenbedeckung, was Evaporation von der Bodenoberfläche vermindet). Dies wurde uns eindrucksvoll an folgenden Parzellen vor Augen geführt. Hier mit Conservation Agriculture Prizipien gearbeitet (man sieht noch die Weizenstroh-Ernterückstände am Boden):


Und hier mit konventionellen Prinzipien (d.h. gepflügt, keine Ernterückstände, Maismonokultur):


Alle anderen Massnahmen wie Pflanzenschutz, Bewässerung oder Düngung sind in beiden Parzellen exakt gleich durchgeführt worden! CIMMYT-Wissenschaftler führen aber nicht nur diese Langzeitversuche durch, sondern entwickeln auch aktiv Maschinen, um die Technik den Farmer näher zu bringen. Wie ihr euch sicher denken könnt, braucht man zur Aussaat in ein ungepflügtes Feld mit Ernterückständen andere Geräte hinterm Trecker als für ein feinkrümelig vorbereitetes, rückstandsloses Feld. Hier ein Beispiel für ein Sägerät, dass CIMMYT zusammen mit einer Großgrundbesitzer-Kooperative in Nordmexiko entwickelt hat:


Und hier ein Exepmlar für den smale-scale Farmer in Äthiopien (links Saatgut, rechts Dünger… alles in einem Abwasch):


Nach diesem beeindruckenden Feldbesuch ging’s nun ins Gewächshaus, wo wir über sogenannte „Weite Kreuzungen“ aufgeklärt wurden. Unter einer weiten versteht man interspezifische Kreuzungen, also solche zwischen verschiedenen Arten, die sich nicht natürlicherweise miteinander kreuzen (z.B. Mais mit Weizen, oder Kulturgerste mit Wildgerste). Unser Brotweizen ist vor vielen, vielen Jahren aus mehreren weiten Kreuzungen entstanden. Die Vorfahren des Brotweizen tragen so interessante Namen wie Aegilops speltoides oder Triticum urartum, aus denen Emmer (Triticum diccocum) entstand. Nach ein paar weiteren Jahre hatten dann der Emmer mit Aegilops tauschii eine Affäre und geboren wurde Triticum aestivum, unser Brotweizen.

Am CIMMYT wird schon länger erfolreich dieser Paarungsweg rekonstruiert, indem die verschiedenen Arten miteinander gekreuzt werden, um sogenannte „synthetische Weizensorten“ zu entwickeln, an denen nichts synthetisch ist, ausser dass sie von Menschenhand gemacht sind. Die „Zutaten“ sind aber die gleichen wie vor 8000 Jahren in der Natur… Hier bestaunen wir die verschiedenen Arten:


Nach diesem dritten und letzten Stop gabs lunch und danach noch eine Podiumsdiskussion mit allen Wissenschaftlern, die uns vormittags ihre Forschungsgebiete vorgestellt hatten. Aus meiner Sicht war die Veranstaltung sehr gelungen. Hat auch echt Spass gemacht mit einer so gemischten Gruppe! Und den Studis hat’s wohl auch Spass gemacht, jedenfalls luden sie uns zum Abschied zu ihrer „Trade Fair“ ein, einer internationalen Kulturnacht mit kulinarischen Spezialitäten aus den Teilnehmerländern, die am folgenden Wochenende in Queretaro ca 3h nördlich von Mexico City stattfinden sollte. Nichts wie hin nach Queretaro also! Zumal die Stadt in die Kategorie der „schönen Kolonialstädte“ fällt, die ich mir sowieso noch angucken wollte.

Im Handumdrehen hatte sich eine Gruppe von 18 CIMMYT-Leuten gefunden, die sich auf das WE in Queretaro freute. Wir trafen uns also am Samstag um 10 Uhr morgens auf Mexico Citys Nordbusbahnhof und es fühlte sich verdammt wie eine Klassenfahrt an. Angenehmerweise keine Klassenlehrer dabei, unangenehmerweise auch keiner, der sich an der Organisation einer so großen Gruppe erfreute… um alle 18 in einem Bus unterzubringen, mussten wir schonmal bis 11:40 Uhr warten. In Queretaro angekommen dann die Suche nach dem Hotel, alle in Taxis, wer hat ein Handy, ok, lasst uns in Kontakt bleiben, wer teilt mit wem ein Zimmer, jeder 100 Pesos bitte, jetzt, … puh, welch ein Trubel.

Gegen halb fünf nachmittags hatten alle ein Bett und eine ungefähre Ahnung, was in der Stadt sich anzugucken lohnen würde. Wir verabredeten uns für 6 Uhr am Hotel für die, die zum Fussballspiel von Ricardos Lieblings- Fussballmannschaft (Gallos Blancos Queretaro) mitwollten. Ich brauchte erstmal ne Auszeit… direkt neben unserem „Hotel“ (das hundertpro auch studenweise vermietete!) gab’s ein sehr nettes Café mit Spaghetti auf der Speisekarte. Nicht sehr originell aber umso leckerer! Ein paar Minuten durchatmen:


Tatsächlich bin ich da gar nicht mehr weggekommen vor’m Fussball… während die Aktiven das Aquädukt betaunten,


einsame Hinterhof-Spielplätze erkundeten,


vor Aztekenkriegern posierten,


oder sich von den Kolonialbauten beeindrucken ließen,






freute ich mich über meinen Brownie mit Vanilleeis zum Nachtisch. Wozu hetzen?

Das Fussballspiel war dann sehr cool. Die Gallos sind gerade in die erste Liga aufgestiegen und hatten nun ein Freundschaftsspiel gegen eine Mannschaft aus Uruguay, die in ähnlicher Aufstiegssituation waren. Das Stadion war nicht besonders voll, wir dafür mitten im Fanblock:


Ein sehr cooles Stadion eigentlich, Natürlich wesentlich kleiner als das 100.000 fassende Aztekenstadion in Mexico City, aber dafür ist man sehr nah an den Spieler dran und kann sogar erkennen, welcher gut aussieht.


Ich hab mir gerade nochmal die Fotos von der Azteken-Stadium-Story angeguckt… sieht nicht aus als erkenne man mehr als farbige Punkte…
Irgendwie ging das Spiel jedoch viel zu schnell vorbei. Noch ein „I was here“-Gruppenfoto


und dann ab auf die IAAS-Party, die in einem sehr netten Innenstadt-Restaurant stattfand. Die Studis hatten ihre Stände mit Fahnen und Landesfarben geschmückt. Hier beispielsweise Griechenland (nur die Dame in der Mitte kam auch von dort!):


Und natürlich musste man an jedem Stand die mitgebrachten Leckereien probieren… kann mich nicht erinnern, wie viele verschiedene „sehr lecker, probier mal!“-Alkohölchen ich getestet habe. Positive Erinnerungen weckt Italien, nicht nur wegen des erträglichen Proseccos im Vergleich zu Ouzo oder dem serbischen Hardcore-Zeugs, sondern vor allem wegen von Papi gemachten Süßigkeiten (Mandelschnitten und sowas wie Nougat…hm, yammie). Die Probierrunden trugen natürlich zum Fortgang der Party sehr positiv bei:


Wie brav meine CIMMYT-Freunde dagegen wirken…




Was soll ich mehr sagen, die Nacht war kurz und so manch einer vertrug am nächsten morgen nur Milch:


Aber das Wochenende war super! Interessante Leute kennengelernt, viel Spass gehabt. Und: meine mexikanische Lieblingsmannschaft ist nun auch offiziell Queretaro! Ich trage seitdem sogar ein Bändchen ums Handgelenk, dass mir einredet „Siempre seré fiel“, ich werde immer treu sein… Ausserdem meinte Ricardo (man bemerke sein St.Pauli-Shirt am Frühstückstisch), dass Queretaro ungefähr so „nako“ sei wie St.Pauli! Deshalb haben wir auch unser Team für’s diesjährige CIMMYT-Fussballturnier „Nakos Futbol Klup“ genannt, aber dazu an anderer Stelle mehr.

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